Traditionelle chinesische Medizin

Also irgendwie würd ich mir echt langsam mal wünschen, mal ein paar Tage einfach gar nix erzählenswertes zu erleben. Aber dem ist halt 'leider' (oder: zum Glück) nicht so.

Gestern abend nach dem Unfall hab ich mich relativ gut gefühlt, irgendwie so wie die Ami-Schlitten - es hat zwar 2 Mal mächtig geknallt, aber es war nix zu sehen. Inzwischen weiß ich auch warum die so gut dastanden, den in USA gibt es anscheinend einen Chrash-Test mit ca. 15 miles/h (24 kmh) bei dem die Autos äußerlich unversehrt bleiben MÜSSEN !!! Also, nix Personenschutz mit Knautschzone und passiver Energie-Absorbtion, da geht die ganze Energie auf die Passagiere - alles klar, danke, ich weiß Bescheid !

Naja, ich war am Abend sogar noch auf Einladung eines chinesischen IT-Kollegen aus Shanghai, der zukünftig die chin. SAP-Anwender unterstützen soll, zum 2. Mal im Konfuzius-Tempel - Bereich in einem trad. chinesischen Restaurant beim Essen: Stangen-Gemüse mit Tofu, süße Lotus-Wurzel, Tofu-Suppe, Huhn im brodelnden HotPot und frischen gedünsteten Fisch - und wenn ich schreibe 'frisch' mein ich auch frisch. Denn wir waren schon mitten drin bei den ersten 4 Speisen (wird ja alles gleichzeitig serviert), als die Tür aufgeht, ein junger Mann mit Plastiktüte reinkommt und an unseren Tisch tritt. Er öffnet die Tüte und zeigt uns einen lebenden zappelnden Fisch. JianDong (mein SHA-Kollege) nickt zustimmend und der Fisch entfernt sich Richtung Küche -  Bye, Bye, Fischi, bis gleich ! ;-)
Danach ging es gleich wieder ins Hotel, weil es hier einen Rückfall in winterliche Temperatur-Bereiche gab - ca.5°C mit Nieselregen und frischem Wind - brrrrrrrr!
Tja, beim Einschlafen hats dann beim Schnaufen gezwickt und ich hab mich a so nich' mehr ganz wohl gefühlt. Heute morgen war's dann immer noch nicht besser, im Gegentum da gings im Rücken scho a bisserl los. Hm, was soll ich sagen, ich muss ja den ganzen Tag während der SAP-Training stehen, sitzen über fremde Notebooks beugen, also alles andere als Rückenschonend arbeiten.
Mittags beim Essen hat mi Long-Wen Dr.Ni, ein Taiwan-Chinese der Jahrzehnte in USA lebte, gefragt ob ich nicht doch lieber zu einem Arzt gehen möchte, er würde es mir sehr ans Herz legen und es würde auch von der Firma befürwortet und alles bezahlt. Ich hätte die Wahl zwischen modern-westlich ausgebildeten Arzt und traditionell-chinesisch ausgebildeten Arzt. Er empfiehlt mir trad.chin. Medizin ... hmmmm, nachdem mir ein paar Kollegen auch diese Variante empfohlen haben, lies ich mich überzeugen und hab für nachmittags gleich einen Termin beim Arzt bekommen.

15 Uhr - auf gehts, ab mit einem Mini-Bus in die große Industriestadt mittem im Chemie-Park, und zwar ins Hospital ...äh Moment, ich will doch nur zum Arzt zw. Check und nicht gleich ins Krankenhaus. Okay, zugegeben, bis dahin waren die Schmerzen scho richtig doll fies, aber naaaa, nix Krankenhaus dann lieber Zähne z'am beißen.
Alles easy, die Ärzte sind entweder über der Apotheke oder eben immer mit im Hospital, und da ich als Ausländer natürlch zum besten trad. chin. Arzt geschleppt wurde, hats halt das Volkskrankenhaus von Nanjing Jianbei sein müssen. Und dahin gings quer durch viele Chemie-Anlagen auf ü-bels-ten Straßen - Schlaglöcher ohne Ende, Bahngleise ohne Teer-Übergang usw - 'super' für meinen Rücken.
Das mit dem 'geschleppt' war dann wörtlich zu nehmen, denn um bei den chinesischen Ärzten überhaupts so kurzfristig dranzukommen haben die einfach meine Situation schamlos übertrieben und mich an den Armen gestützt in Zeitlupe ins Hospital geführt. Mit 'die' meine ich Dr. Ni (Chemiker, nix Arzt), der sich rührend um mich kümmerte, Lu Yao eine clevere E&I-Ingenieurin (beste meiner Kursteilnehmer) und ein Mädel aus unserer EHSS-Abteilung (Sicherheit, Gesundheit, Umwelt ...), welche sehr gute Beziehungen ins Krankenhaus hat, und sich eben immer um die deutschen Langnasen (=Lao wei) kümmern muss, wenn die medizinische Hilfe brauchen. Außerdem war sie diejenige mit dem dicken Geldbeutel, weil bei Ausländern gibts Leistung nur gg. Barzahlung! ...sehr kommunistische Einstellung, gell ? Aber die Preise waren wirklich in Ordnung für die einzelnen Leistungen, hat sich alles jeweils im 1-stelligen Euro-Bereich bewegt, außer eins - mehr weiter unten!
Die wollten mich beim Eintreten sogar in einen Rollstuhl setzen, aber das ging mir dann doch zu weit ! Mein erster Eindruck ? Von außen hui, innen Pfui. Es ist so ein im Stil der 80er Jahre gebauter Hochhaus-Block, aber ihnen wirkt's wie anfang der 70er mit halbhoch - 'Öllack'-gestrichenen, kahlen Wänden, nackten Neon-Röhren, Linoleum-Boden und vor allen Dingen : es war SAUKALT in den Gängen !!! Ist halt alles südlich dieses komischen Flusses, der die Grenze für Heiz-Erlaubnis ja / nein  darstellte ...und in den 'alten' Gebäuden dann mangels Heizkörpern auch immer noch gelebt wird - brrrrr, wooah hat's mich schnell gefroren.
Die Behandlungszimmer sind dann aber zum Glück geheizt, sogar wieder zu gut. Von der Einrichtung her a wieder im Stil der 60er und 70er, altmodisch, abgenutzt, aber alles sauber, Instrumente steril gelagert, medizinische Geräte gepflegt und teils hoch-modern - ja, doch, is okay, hier fühl ich mich 'wohl' da können wir bleiben. Das schreib ich nicht nur euch so, dass musste ich auch stän-dig und im-mer wie-der dem herigen Long-Wen und der Yao versichern, die sich voi liab abmühten. Wenn es nich' okay is - ein Wort reiche und wir können sofort gehen. Dabei wollte ich doch unbedingt a bisserl Hilfe und Linderung.
Joooo, und dann der traditionell-chinesische Doktor .... also ich hab einen alten gebeugten Mann mit Nickelbrille und langem weißen Bart erwartet und dann steht da ein junger, moderner, dynamischer Bursche vor mir und fängt an mich auf chinesisch (simultan-übersetzt von den beiden - a wieder voi liab) zu untersuchen und befragen, auch mit Abtasten auf der Liege (aus Holz mit Deckenauflage und Laken ... aua, is das hart).
Fazit seiner Untersuchung: Ich habe einen eingeklemmten Nerv und verschobene Bandscheiben! Der erste Grund meiner Schmerzen sei, dass mein Körper einfach alt wird und nimmer so gut hält (hey - du A....lo'h!!!) und der zweite Grund sei eben jener Autounfall - ach geh, ehrlich? Da wär ich ohne ihn aber nicht draufgekommen! Als Behandlung schlägt er Akupunktur und so Saugnäpfe (Schröpfen heißt das, oder) vor. Allerdings besteht er zuerst auf einem Röntgenbild um seinen Eindruck abzusichern! Öha, dass is' erlaub bei trad.chin. Ärzten? Also, raus aus dem Zimmer und quer durchs Krankenhaus in die Röntgenabteilung - wieder im doppelten Senioren-Stützgriff ... Unterwegs konnte ich hübsche chinesische Schilder bewunder mit lateinischen Buchstaben wie CT und MRT ...seltsam .... ach ja für alle Neugierigen - nein, es waren nirgendswo hübsche chinesische Tee- und Saftschubsen zu sehen, kein Wunder da es eh fast keine hübschen Chinesinnen in China gibt (zumindest nach europäischen Massstäben). Schliesslich tippelten wir an einer laaaaangen Schlange von wartenden ChiNasen vorbei .... direkt rein in den Untersuchungsraum (Frechheit siegt, erst recht hier in Chinesien) und das Röntgengerät stellte sich dann als ein hochmoderner Siemens MRT-Apparat heraus, und zwar einer von der Sorte 'klein, kompakt, kurz' - also nix mit Riesenkastenröhre für Platzangst-Freaks. Und erst recht nix mit lautem Geknalle während des Betriebs, sondern leise, schnell, highTech eben, war dann in 5 Minuten vorbei. Also gleich wieder an der Warteschlange vorbei zurück ins Behandlungszimmer und derweil hat LoYao dafür gesorgt, dass die Foto's nicht 45 Min sondern nur 15 Minuten gebraucht haben. Kosten für 1 x MRT waren 161 RMB also ca 18 Euro! Ergebnis: Bandscheibe zw. 3.+4.Wirbel leicht verschoben und zw. 4.+5.Wirbel stark verschoben und Nerv im Beckenbereich eingeklemmt - so wie von ihm eben vorher schon vermutet.
Wieder was gelernt: traditionell-chinesische Medizin integriert moderne Untersuchungsmethoden dort, wo es Sinn macht !
Hm, nach kurzer Rückfrage ob ich schon mal Akupunktur erlebt habe (nein, noch nie ...zitter, bibber, Angst) hat er mich dann mal gleich auf die Liege gebeten (aua - ihr erinnert euch, das Holzbrett ?!), wobei da noch 3 weitere bereits besetzt waren. Ich durfte mich auf den Bauch legen, Rücken frei machen und Hose runter ...wie, Moment, da sind doch die Mädels a noch da.... aber da gilt dann a wieder kommunistisches Prinzip - alle sind gleich ... okay...  und los gings mit den kleinen Nadeln! AUA, aber hallo, wie können die kleinen Biester denn soooo weh tun ? War aber bei 6-8 Stück eh gleich vorbei, man spürt sofort wie da Regionen um den Nervenpunkt rum aktiviert werden. Allerdings heißt es danach 30 Minuten still liegen, weil irgendwie mal drehen und den Arm woanders hinlegen treibt sofort das Druckgefühl in den punktierten Bereichen in sehr unangenehme Bereiche. Immerhin bin i dann sogar kurz eingenickt..
Als ich dann wieder aufwachte, war das EHSS-Mädel mit einer großen Tüte aus der Apotheke zurück. Da darf ich jetzt von 2 Medikamenten 2 bzw 3 Mal täglich 6 bzw. 4 Pillen nach dem Essen schlucken und Tigerbalsam-Auflagen für 10 h über Nacht auflegen und einen Stützgürtel muss ich auch andauernd tragen (außer beim Schlafen). Das sehr ihr hier alles auf dem Foto:

Und außerdem komm ich jetzt bis Montag abend (Abfahrt nach Zhangjiagang) jeden Tag zum Akupunktieren und 'Absaugen' negativer Energien dorthin. Heute Abend muss ich schön flach liegen - tu ich auch grad auf'm Bett (an dem Artikel hier tippe ich seit fast 3 Stunden immer mal wieder rum) und soll mich halt brav schonen und ruhig halten ..sehr schwierig für mich "Zappel-Philipp".

Das Lustigste zum Schluss: Long-Wen, der sich so rührend um mich kümmerte, hat ja während all der Untersuchen mehr als aufmerksam und wachsam alles beobachtet - wirklich sehr fürsorglich. Aber das Ganze hat er nicht ohne Hintergedanken gemacht, wie er mir hinterher erzählte.  Denn, seitdem er hier für Wacker in Nanjing stationiert ist,  geht er mit und wg. seiner Frau immer zum westlich ausgebildeten Arzt hier im Hotel in der SOS-Station, obwohl er damit absolut nicht zufrieden ist. Nun ja, und da hat er mich heute ganz einfach mal quasi als Testperson zweckentfremdet !! und immer schön gefragt wie ich mich fühle, wie's mir geht ...das beim Punktieren gar kein Blut spritzte (Dan-ke für die beruhigende nachträgliche Warnung) und das er sehr zufrieden war mit dem Arzt und somit endlich für sich selber einen gefunden hat, wo er doch auch so schlimme Rückenprobleme habe... tz, tz, tz, so sind sie meine ChiNasen, offen, frank, frei, ehrlich und immer auf den eigenen Vorteil bedacht !

So, dass war's jetzt aber für heute. Zum Thema '1912' Vergnügungs-Area bin ich mal wieder nicht gekommen. Aber ich will ja a no ins Mausoleum und ins Nanjing-Museum und in den Fake-Market.... es bleibt also spannend hier in Chinesien.

Ach ja - eines noch; ich hab jetzt (endlich) einen chinesischen Namen: 
gesprochen:    Lu'O Jo Chän
Geschrieben:

Bedeutung: Luo (Familienname ...gibts nur ca. 100)  excellent nice hero  

ZAI JIAN

's Deiferl